Best Practice
Leinefelde Südstadt
Transformation einer Plattenbausiedlung, Leinefelde-Worbis, 2007

Die Südstadt von Leinefelde ist eine DDR-typische, neugegründete Großsiedlung am Westrand von Thüringen. Sie wurde im Zusammenhang mit einer großen Textilspinnerei und einem Zementwerk errichtet. Zur Wende 1989 wohnten hier 16.000 Menschen. Mit dem Ende der DDR und dem Wegfall der ansässigen Industrien setzte ein Strukturwandel ein. So sehr die Großwohnsiedlungen in DDR-Zeiten als Zeichen von Modernität und Innovation gesehen wurden, hat sich der Blick auf sie gewandelt. Zerfallene, unsanierte Wohnmaschienen, die Monotonie und trist gestaltete Freiräume verdeutlichen heute das Schreckensbild von standatisiertem Wohnen. Viele der Bewohner*innen zogen aus den Großwohnsieldung der Industriestandorte fort. Architekt*innen und Stadtplaner*innen wurden mit den Herausforderungen konfrontiert, die diese „shrinking-cities“ – Städte mit rückläufiger Bevölkerung, mit sich bringen: Leerstand, Alterung, wirtschaftliche Schwäche.

Auf der Architekturebene reagierten die zwei Architektenteams Stefan Forster Architekten und Muck Petzet Architekten auf diese Herausforderungen. Das Ziel war die Plattenbauten durch Reduktion in menschlichere Dimensionen zurückzuholen.

Stefan Forster Architekten interpretierten, nach einem vorausgegangenen Wettbewerb 1996 bis 2007 sieben verschiedene Plattenbauten neu. Der Monotonie der oft gleichförmigen Plattenbauten wurde mit einer Transformation zu anderen, teils hybriden Gebäudetypen begegnet. Durch einen radikalen Eingriff in die Bausubstanz, die von einer teilweisen Subtraktion von Geschossen, bis hin zur vollständigen Zerteilung von vormals riesigen Zeilen reichte, entstand eine Vielzahl von neuen Häusern. Zu den immer ähnlichen Grundrissen und Wohnungsgrößen im Plattenbau wurden vielseitige Alternativen geschaffen. Das Hochparterre und neu angelegte Gärten brachten Leben in die Siedlung. Die hohen Umbaukosten waren dennoch niedriger als die eines vergleichbaren Neubaus.

Das Physikerquartier wurde von einem Team um Muck Petzet Architekten entwickelt. Neugestaltete Freiräume verbanden sie durch übergreifende Dächer mehrerer Häuser zu großmaßstäblichen Blockstrukturen. Durch die Schließung von Raumkanten durch Neubauten, sowie gezielte Rückbaumaßnahmen, konnten Räume geschaffen werden, die einer urbanen Lesbarkeit von Straßenraum und Innenhof näher kamen. Ebenso wie Stefan Foster Architekten setzen sie auf eine wirkungsvolle Farbgestaltung der Fassade, sowie eine typologische Vielfalt in den Grundrissen vom Zweispänner bis hin zu Maisonette-Wohnungen mit Laubengang. Durch die Wertschätzung des Bestandes und der in ihm enthaltenen grauen Energie konnte auch in Leinefelde Südstadt ein ökologisch nachhaltiges Konzept verwirklicht werden.

Die in Leinefelde Südstadt neu entstandenen Umbauten ändern nun den Blick auf den Bautyp der Platte. Durch die nachhaltigen qualitativen Sanierungen der Bestandsbauten erzeugte das Projekt einen Image-Wandel des Stadtteils Leinefelde Südstadt. Mit der Verleihung des World Habitat Awards im Jahr 2007 erlangte Der Stadtumbau der Kleinstadt weltweite Beachtung und ist heute nicht nur für Thüringen ein beispielshafter Transformationsprozess. Inwiefern der Plattenbau eine Perspektive für die Zukunft ist, wird heute noch viel debattiert. Die Nachfrage nach preiswertem, barrierefreiem Wohnen erfüllt die stigmatisierte Bauweise doch am Besten. Auch die Internationale Bauausstellung Thüringen knüpft hier an und erarbeitet einem Wohnbaukasten der Zukunft, der vorerst auf ein modulares Angebot mit großer Vielfalt, jenseits der Monotonie, setzt.

Leinefelde-Worbis

Bilder: Jean Luc Valentin; Werner Prokschi; Muck Petzet Architekten; Astrid Eckert; Stefan Forster Architekten; Stiftung Baukultur Thüringen

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