Best Practice
Gartenhofhäuser
Genossenschaftlicher Wohnungsbau, Weimar, 1998

Die genossenschaftliche Wohnsiedlung spannt sich zwischen der Lessingstraße und dem Ratstannenweg im Süden der Stadt Weimar auf. Mit dem Neubau der Gartenhofhäuser wurde eine Genossenschaft, die Wohnhaus e.G. Weimar, gegründet. Die Bewohner*innen sind alle Genossenschaftsmitglieder und verpflichten sich zur Verwaltung und Pflege der Siedlung. Sie begleiteten und bestimmten den Planungsprozess mit, welcher auf die Wünsche der Nutzer*innen in einer damaligen Momentaufnahme abgestimmt wurde. Verantwortlich für Planung, Entwurf und Bauausführung von 1994 bis 1998 waren Prof. Walter Stamm-Teske und Schettler & Wittenberg Architekten, Weimar.

Die zielführenden Schwerpunkte der Planung wurden im Hinblick auf das Entgegenwirken des Teuerungsprozesses von Wohnraum und der Zersiedelung der Landschaft, sowie dem Aufbrechen von Bevölkerungsmonostrukturen gesetzt. Neben dem Aspekt des preiswerten Bauens wurde auch die Idee von flächensparendem verdichtetem Bauen verfolgt, sodass die Siedlung heute eine außergewöhnliche Ausnutzung aufweist. Die ökologische Umsetzung im Niedrigenergiestandard, zusätzlich zur Auswahl umweltverträglicher Bau- und Bauhilfsstoffe, war ebenso relevant für das Bauvorhaben. Ein räumlicher und sozialer Zusammenhang innerhalb der Nachbarschaft sollte den Wohnwert größtenteils definieren.

Zur Umsetzung der Schwerpunkte im Bauvorhaben wurde konkret über Maßnahmen gesprochen.
Das Generieren von gemischten Altersstrukturen und unterschiedlichen Haushaltsformen als Abbild der gesellschaftlichen Realität schien den Planenden eine gute Voraussetzung zu sein. Das Schaffen von genügend Gemeinschaftsflächen mit Bewegungs- und Aufenthaltsqualitäten sollte das Zusammentreffen der Menschen, vielmehr den erwünschten sozialen Zusammenhang gewährleisten. Dabei wurde eine genossenschaftliche Form angestrebt, welche die intensive Beteiligung der zukünftigen Bewohner*innen ermöglichte. Kostensparend konnte gebaut werden, da technologische Entwicklungen Wiederholungen ermöglichten und die Bauten seriell ausgeführt werden konnten.

Das architektonische Konzept der 26 Mehrfamilienhäuser in Form von nord-süd-orientierten zweigeschossigen Hauszeilen generiert verschiedene Raumkonfigurationen, sowie Ausbaustandards. So kann durch zwei Eingangstüren pro Haus eine obere Wohnung abgetrennt werden, sowie unterschiedliche Anordnungen von Küchen und Bädern entstehen. Die Struktur der Grundrisse ist einfach und klar, dennoch werden durch unterschiedlich breite Achsen verschiedene Größen von Wohnungen erzeugt, je nach Lage der Treppe kann eine vertikale Wohnungsteilung ermöglicht werden. Der reduzierte Formenkanon mit unbehandelten Holzfassaden und blauen Fenstern führt neben der übersichtlichen Auswahl von Materialien zu einem Charakter mit hoher Gestaltungsqualität.

Prägend sind die Gartenhöfe. Diese, im Süden an das Einzelhaus angelagerte Höfe, verstehen sich als Erweiterung des Wohnbereichs, als Zimmer ohne Dach. Sie bieten durch die umschließenden, hohen Wände, einen individuellen Rückzugsort innerhalb der dichten Siedlung. Die Mauer um den Hof lässt sich vom Wohnraum aus überblicken, schützt im herabgesetzten Hof aber vor Blicken. Die privaten Gartenhöfe sind von Bewohner*innen individuell gestaltet. Extensiv begrünte Flachdächer der Häuser wirken dem hohen Versiegelungsgrad entgegen. Das Grünkonzept ordnet jeder Erschließungsgasse der Siedlung eine eigene Baumsorte als Erkennungszeichen zu. Ergänzt wird die Wohnanlage durch eine Spielwiese, ein Zentrum mit Spielplatz und ein Gemeinschaftshaus. Die Parkplätze befinden sich gesammelt im Osten an der Straße.

Alles in allem betrachtet zeigt diese unverwechselbare Experimentalsiedlung, dass genossenschaftliches gemeinschaftliches, generationsübergreifendes Wohnen sehr gut funktionieren kann und eine Perspektive gegenüber Privateigentum aufspannt. Das hieß jedoch in diesem Fall, dass ein distanziertes Nach­barschaftsverhalten aufgeben werden musste. Die Bewohner*innen der Gartenhofhäuser sehen das vielmehr als Gewinn an, sie sind restlos überzeugt von dem Wohnmodell und schätzen den vorhandenen Wohnwert und die Gemeinschaft sehr.

Die ersten Gespräche über die vorgesehene Gartenhofsiedlung wurden ab Januar des Jahres 1994 geführt. Wenig später kam es zu Architekturstudien und zu ersten Verhandlungen mit der Stadtentwicklungsgesellschaft und Erschließungsträgern. Gegen Ende des Jahres 1994 trafen die potentiellen Bewohner*innnen das erste mal zusammen für organisatiorische, vorbereitende Arbeiten, die monatlich fortgesetzt wurden. In dem Zuge wurde eine Warteliste von Interessierten aufgestellt, man sprach mit ihnen über ihren Wohnbedarf. Mit der Genossenschaftsgründung 1996 ging das Projekt in eine intensivere Planungsphase über, Grundstücke wurden gekauft und im folgenden Jahr wurde mit dem Bau begonnen. Ende 1997 wurde das Richtfest gefeiert und 1998 waren alle Häuser bezogen.

Das Projekt wurde mit Mitteln des Bundes gefördert. Es wurde mit folgenden Preisen ausgezeichnet: dem Gestaltungspreis der Wüstenrot Stiftung, dem Bauherrenpreis 2000, dem 3. Platz des WEKA-Architekturpreises 1998 und einer Anerkennung zum Thüringer Architekturpreis für Wohnbauten 1999.

Gartenhofhäuser

Bilder: Maximilian Atta; Stiftung Baukultur Thüringen; Thomas Müller, Weimar

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