Typologien des Holzbaus

Aufstockung: The city above the city

Holz als leichter, vorzufertigender, aber auch vor Ort gut bearbeitbarer Werkstoff ist prädestiniert, vorhandene Bauten aufzustocken. Dies ist in der Geschichte umfangreich praktiziert worden und auch heute ein wichtiges Werkzeug der Nachverdichtung der Städte und um eine weitere Versiegelung von Boden zu vermeiden. Es gibt Wettbewerbe und zahlreiche Projekte, unter anderem die beispielhafte „Ford-Siedlung“ in Köln, wo dreigeschossige Bestandsgebäude durch zwei Geschosse komplett in Holzbauweise ergänzt wurden. Ein internationaler Wettbewerb „The city above the city“, veranstaltet von „Plan B“, demonstrierte weitreichende Visionen, von der vielgeschossigen Aufstockung des „Hauses des Lehrers“ in Berlin, der Aufstockung des „Flat Iron Building“ in New York bis hin zu einer Art Meta-Stadt, die sich über der alten Stadt entwickelt und die an die Utopien der Metabolisten aus den 1960er Jahren erinnert.
Die TU Darmstadt, das Pestel-Institut haben in zwei Studien 2016 und 2019 die enormen Potentiale der Aufstockung von Wohngebäuden sowie Nicht-Wohngebäuden, also z.B. Parkplätzen und Supermärkten aufgezeigt. 2,7 Mio. Wohneinheiten seien so in Deutschland möglich. Hier sind Holzbausysteme prädestiniert, wie auch diverse Studien und Bauten demonstriert haben. Hermann Kaufmann hat z.B. in Dornbirn / Vorarlberg eine zweigeschossige Wohnbebauung als Atriumhaus auf ein bestehendes Kaufhaus aufgesetzt, als vorgefertigter Holzbau. Das niederländische Büro MVRDV hat 2007 eine originelle Aufstockung aus Holz in Rotterdam realisiert, als Erweiterung der Wohn- und Atelierflächen eines Theaterperückenmachers und in der Form eines sehr kleinen, sehr blauen Dorfes auf dem Flachdach des Bestandsbaus. Der wichtigste Grund für den Einsatz des Holzes war hier die begrenzte Tragfähigkeit des Altbaus.
München hat mit sogenannten „Stelzenhäusern“ Zeichen gesetzt. Dies sind Überbauungen von Parkplätzen mit einer Betonplatte und darauf gesetzten vier Vollgeschossen aus Holz. Etwas weniger ambitioniert, wenngleich trotzdem interessant, dass in Rüsselsheim 2018–2020 zwei-geschossige Parkdecks als Holzkonstruktion zum ersten Mal in Deutschland gebaut worden sind.

Bergstation

Die relative Leichtigkeit des Materials Holz sowie die perfekte Vorfertigung sind die vorherrschenden Gründe, Bergstationen und Berghütten aus Holz zu errichten. Dabei bestimmt heute der Helikopter bzw. die Seilbahn das Maß der Bauteile. Dabei muss auf dem Berg zügig gebaut werden können. Ein schönes Beispiel ist die 2009 eröffnete, fast komplett aus Holz gebaute neue Monte-Rosa-Hütte oberhalb von Zermatt in einer grandiosen Berglandschaft. Diese spiegelt die Architektur mit der Aluminium-Außenhaut ikonisch, indem der polygonal gebrochene Baukörper wie ein Berg- oder Eiskristall erscheint. Konzipiert wurde die Hütte wesentlich von der ETH Zürich. Ebenfalls in der Schweiz liegt die von Herzog&DeMeuron zusammen mit lokalen Handwerkern 2014/15 gebaute Bergstation Chäserrugg im Kanton St. Gallen. Auch sie ist aus Massivholz gebaut; vorgefertigte Teile, die mit der Seilbahn herauf kamen, nur der Kran kam per Helikopter.

Hochhaus

Die Entwicklung der Holzbautechnologien hat es – wie gezeigt – möglich gemacht, Hochhäuser aus Holz zu errichten. Einerseits ist es vor allem durch die Massivholztechnik möglich geworden, die Feuerbeständigkeit der Holzstrukturen zu sichern, indem der zulässige Abbrand geregelt wird, der dann durch Verkohlung auch das Weiterbrennen hemmt. Andererseits erlaubt es unter anderem die Weiterentwicklung der Leimholztechnologie, hochstabile Holzbauteile zu entwickeln. Hinzu kommen der konstruktive Holzschutz und weitere neue Materialien.

Die Beherrschung der Mehrgeschossigkeit, für die das Hochhausformat eigentlich die demonstrative Spitze darstellt, ist von ausschlaggebender Bedeutung für den massenhaften Einsatz der Holzbautechnologien, der sich in den letzten Jahren enorm entwickelt hat und mit dem auch auf den enormen Bedarf nach weiterem und erschwinglichem Wohnraum reagiert wird.
Jüngste wiederum neue Beispiele sind das Hochhausprojekt „Woodscraper“ in Wolfsburg mit einer Höhe von 38 m aus Brettsperrholz, Strohbauwänden und Trockenestrich – voraussichtliche Fertigstellung 2023. Eine sehr engagierte Wohnungsbaugenossenschaft plant in Pforzheim ein Wohnhochhaus aus Holz mit 14 Geschossen, 45 m hoch, das ab 2021 gebaut werden soll. In Berlin entsteht eine neues siebengeschossiges Bürohaus für den Bundestag nach dem Entwurf von Sauerbruch und Hutton mit 400 Büros aus Vollholz-Modulen.

Brücken

Holzbrücken haben nicht nur eine sehr lange Geschichte, sondern eine vitale Gegenwart, vor allem im Sektor geringerer Lasten, also Fußgänger- und Radfahrerbrücken, sowie Wildbrücken bzw. Grünbrücken. Zugleich entwickeln sich die Technologien, so dass zunehmend auch andere Brückentypen für den Holzbau relevant werden.

Sehr gut gestaltete und einfache Holzbrücken finden wir wiederum in der Schweiz, etwa den Traversinersteg in Sils im Domleschg in Graubünden, gebaut 1995 nach dem Entwurf von Ingenieur Jürg Conzett. Dies ist eine mit Stahlseil unterspannte Holzbrücke mit einer äußerst leichten, feingliedrigen Konstruktion, die aufgrund des Ortes per Hubschrauber transportiert werden musste. Die Brücke ist leider 1999 bei einem Felssturz zerstört und durch eine neue Brücke ersetzt worden.
Andere Brücken von Conzett, etwa jene oberhalb des Ortes Flims, von denen fünf aus Holz sind, zeigen die gleiche Klarheit und Einfachheit der Brücken- und Konstruktionsidee zudem betten sie sich sehr gelungen in die Landschaft ein.
Auch der Holzbauingenieur Walter Bieler hat u.a. in Laax, Graubünden eine sehr besondere, 115 m lange Fußgängerbrücke gebaut und Holzbrücken als eine kulturelle Aufgabe angesehen. Von ihm gibt es z.B. auch eine Straßenverkehrsbrücke im Val Tgiplat, deren Brückenkörper sich aus scheibenartigen Holzträgern zusammensetzt.

Fertighaus

Fertighaus-Branche boomt. Der Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V., der nebenbei bermerkt für 2021 einen „Traumhauswettbewerb“ ausschreibt, hat eine neue Rekordbilanz vorgestellt. Der Holz-Fertigbau hat trotz oder wegen der Corona-Pandemie auch im Jahr 2020 zahlenmäßig erheblich zugelegt.

Zuerst nahm der Bau von Ein- und Zwei-Familienhäusern zu: von Januar bis November 2020 um 3,6% gegenüber dem Vorjahr. Dann nahm der Anteil der Fertighäuser zu: im Zeitraum Januar bis November 2020 betrug die Fertigbauquote 22,2%, gegenüber 20,8% in 2019 (auch das gegenüber den Vorjahren gestiegen). Thüringen übertraf das noch mit einer Fertigbauquote von 21,1% im Jahr 2019. Während 2019 der Gesamtmarkt der Ein- und Zweifamilienhäuser im Fertigbau um 1,3% zulegte, stieg der Anteil des Holzbaus hier um 7,7%. Generell in Deutschland liegt der Anteil des Holzbaus am Fertighausbau bei 86,1% in 2018.
Hier sind zwei Positiva zu vermerken. Zum einen ist es der steigende Anteil des Holzbaus. Zum anderen ist es auch das Plus, das aus rationellen Fertigungsmethoden, insbesondere der Vorfertigung resultiert. Zugleich wirft dieser Erfolg fundamentale Fragen auf. Das erste Problem ist ein essenziell architektonisches, muss doch jenes „Traumhausideal“ grundlegend hinterfragt werden, das zweite Problem schließt daran unmittelbar an: Das – als Fläche fressend klassifizierte – Ein- oder Zweifamilienhaus muss als Zukunftsmodell der Siedlung generell in Zweifel gezogen werden. Wir verweisen auf die aktuell kontroverse Debatte.

Cabins

Im Jahr 2018 hat die Stiftung Baukultur Thüringen im Rahmen eines „Architektourismus”-Konzepts gemeinsam mit der IBA Thüringen unter der Headline „XS-Ferienhäuser modellhaft bauen“ einen Architekturwettbewerb veranstaltet. Es ging um die kleine Dimension und um den Baustoff Holz, dem in der Auslobung eine deutliche Betonung gegeben worden war. Alle Preisträger haben dementsprechend dem Holz als Baustoff hier Vorrang gegeben. Nun, Cabins, kleine Ferienhäuser, auch „Tiny Houses“ sind vielfach Holzhäuser und sie bieten ein exzellentes Experimentierfeld für neue Raumkonzepte, neue Konstruktionslösungen. Im Sinne der Nachhaltigkeit, des Klimaschutzes und auch der für die Zukunft wesentlichen Erfordernisse hinsichtlich der Gestaltung sozialer Strukturen muss die Effizienz des Ressourceneinsatzes hier allerdings noch geprüft und optimiert werden.

Norwegen kann, in puncto dieser kleinen Architekturen als beispielhaft angesehen werden, denn dort ist diese hochinteressante Verbindung von Architektur und Tourismus intensiv entwickelt worden und hat zu sehr inspirierenden landschaftlichen Aussichtspunkten, Ferienhäusern, Brücken, diversen Landmarks geführt, aber auch zu Hotels, die als Ensemble kleiner Cabins organisiert sind, wie etwa das Juvet Landscape Hotel in der Nähe von Valldal.
Dies wären wichtige Referenzen, gerade auch für das Tourismus-Land Thüringen und eben für den Holzbau. Bei Zeulenroda/Thür. ist soeben eine Ferienhaus-Siedlung fertig gestellt worden, deren architektonischer Standard zwar nicht an die internationalen Referenzen heranreicht, die aber mit einem absolut zukunftsfähigen Holzbausystem errichtet wurde, dem System „Holz 100“ der österreichischen Firma Thoma. Das System besteht aus Massivholzwänden, deren Brettschichten nicht verleimt sind, auch nicht vernagelt, sondern mit Holzdübeln verbunden. Es gibt also in dem System nur Holz – daher die „100“ – und damit ist das System ökologisch beispielhaft.

Interieur

Das Interieur: Ausbau, Mobiliar etc. steht hier nicht im Fokus, sollte aber auch nicht aus dem Blickfeld geraten – als innovative Szene, aber auch unter dem Aspekt, den Holzgebrauch zu erhöhen. Dabei geht es nicht um Kitsch, wie geflammte Bretter und Baumscheiben mit aufgesetzten Thermometern, sondern um innovative Lösungen im Umgang mit dem Material Holz. Z.B. die mit neuen Materialien und Materialkombinationen zu experimentieren, jedoch stets mit dem Fokus auf ökologische Konzepte.

Spanplatten, MDF-Platten, OSB-Platten und ähnliche Derivate von Holz sind aufgrund ihrer Formstabilität und industriellen Massenfertigung äußerst verbreitete Werkstoffe im Interieur. Und gleiches gilt für Sperrholz, Schichtholz, Brettsperrholz und ähnliche Materialien. Diese sind den Kunststoffen grundsätzlich vorzuziehen, allerdings sind sie zum Teil selbst „Kunststoffe“ insofern als sie verleimt sind. Es ist zwar mittlerweile gelungen, die Ausdünstungen in die Raumluft, etwa Formaldehyd, weitgehend zu reduzieren und die Basis der Leime kann auch biologisch sein, es bleibt aber mindestens das Problem der begrenzten Recyclingfähigkeit dieser Baumaterialien. Bereits der zuvor erwähnte Weimarer Erfinder Otto Hetzer hatte bei seinem ersten modernen Leimholzbinder festgestellt, dass der Leim fester war als das Holz.
Wir sehen, dass die neuen Materialien zugleich neue Design-Konzepte hervorgebracht haben. Ein Beispiel dafür sind etwa die berühmten Plywood Chairs von Charles und Ray Eames, die die Technik des gebogenen Sperrholzes, das sie bei Aufträgen für das Militär entwickelt hatten, in den zivilen Bereich und private Nutzung übertrugen. Oder die Idee des Designers Axel Kufus für sein FNP-Regal, mittels einer Aluschiene und exakt gefräster MDF-Platten eine stabile Verklammerung der Regalelemente herzustellen. Das setzt Festigkeit und Exaktheit des Materials und der Bearbeitung voraus.
Vermutlich sollte man nicht hinter solche Standards zurückfallen und sich die Zukunft ausschließlich mit rustikalen Vollholz-Interieurs ausmalen. Die Materialwissenschaft, etwa das Fraunhofer-Institut für Holzforschung WIKI, entwickelt entsprechende Materialen wie umweltfreundliche und ressourcenschonende Verbundwerkstoffe, Biocomposites, neue hybride Werkstoffe, Holzschaum für Dämmstoffe usw. Während Anwendungen von Holz-basierten Stoffen im Automobilsektor diskutiert werden, sollten das Bauen und das Interieur die prominenten Anwendungsfelder solcher „smarter“ Materialentwicklungen sein – nach klaren, ökologischen Zielprojektionen: biologische Eignung, Recyclingfähigkeit etc. Es geht also um eine „Circular Economy“, um eine holzbasierte „Bioökonomie“. Diese Entwicklungen in Kombination mit neuen digitalen Verfahren des Entwurfs und der Produktion werden auch zu neuen Images des Interieurs führen.

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