Digital Design, Digital Production

 Wie bereits festgestellt, ist Holz im Low-Tech-Bereich ebenso gut zu bearbeiten, wie im High-Tech-Sektor. Letzterer aber ist für die Perspektiven eines umfassenden Holzbaus ausschlaggebend. Und hier geht es auch um digital gestützte, teils vollautomatische Produktions- und Logistikprozesse, in denen digitale Modelle, die Entwurfs- und Designprozessen entspringen, unmittelbar die Maschinerie der Holzproduktion steuern. Der Effekt kann – wie in anderen Industriezweigen – eine weitgehende Rationalisierung sein, aber auch die Möglichkeit neuer Formfindungen und Designkonzepte.

CNC-Maschinen

CNC steht für „Computerized Numerical Control”. Die entsprechenden Maschinen und Fertigungslinien sind gemäß ihrer konkreten Auslegung geeignet, Bohr-, Fräs-, Säge- und Schleifprozesse in mehreren Achsen exakt gemäß dem digitalen Modell auszuführen. Dies gilt ebenso für einfache wie auch komplexere Geometrien. Es ist je nach Dimensionierung der Anlage möglich, kleine Werkstücke bis hin zu Miniaturen zu bearbeiten wie auch große Elemente, wie sie im Bereich der Fertighausindustrie in großen Stückzahlen gefertigt werden.
Mit CNC-Maschinen sind ebenso Unikate zu fertigen, wie Großserien. Und – wie bereits bemerkt – die digitale Steuerung erlaubt es, die sture Gegenüberstellung von Unikat hier (gebaut vom Handwerk) und Serie dort (aufgelegt von der Industrie) grundsätzlich zu überwinden, denn das Computerprogramm kann jedes Stück gegenüber dem Vorgänger oder Nachfolger modifizieren. Ja, kann es sogar komplett anders generieren, sofern die Maschine dies ermöglicht. CNC-Maschinen, die oft auch als „Roboter“ mit entsprechendem Bewegungsarm ausgebildet sind, können komplexe Geometrien präzise fertigen. Welche Chancen derartige CNC-Maschinen-Prozesse bieten, kann an den Fertigungsstraßen der Autoindustrie oder der Pharma-Industrie studiert werden.
In diesem Segment gibt es hochinteressante Forschungsarbeiten: z.B. am Institut für digitale Bau- und Holzwirtschaft der Berner Fachhochschule, BIM Wood an der TU München sowie am Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung der Universität Stuttgart.

Digital Timber Prototype

Das Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (Prof. Achim Menges) der Universität Stuttgart steht in Deutschland an der Spitze entsprechender Forschungen und hat zusammen mit der IBA Thüringen einen sehr kleinen „Timber Prototype“ entworfen, eine „Cabin“, die modellhaft den neuen Typus des digitalen Holzbaus demonstriert: die Holzrahmen, welche das Gehäuse bilden, folgen einer computergenerierten systematischen Variation einiger Parameter, so dass ein quasi organischer Charakter entsteht, der im Übrigen charakteristisch ist für viele parametrische Projekte. Der Timber Prototype zeigt zudem auf den ersten Blick komplizierte Verbindungsgeometrien, die aber auf CNC-Maschinen quasi „einfach“ schneidbar sind.

„Shaper Origin“

Der „Shaper Origin“, der hier als Prototyp eines Verfahrens zitiert werden soll, ist eine von Hand bewegte kleine Fräse, die jedoch präsize digital gesteuert wird. Es ist auch eine CNC-Maschine, denn sie enthält ein digitales Modell des zu fräsenden Objekts. Das Interessante hier ist, dass auch dem Handwerk digitale Maschinen zur Verfügung stehen, sodass also die Grenze zwischen Industrie und Handwerk mehr und mehr verschwimmt. Open Source-Konzepte können hier Eingang finden.

Big Data

Die Welt von Big Data erlaubt im Gegensatz zur starren Serienproduktion eine Individualisierung und Personalisierung von Daten und Produkten. In Verbindung mit entsprechenden CNC-Maschinen können individuelle Objekte, Produkte generiert und unmittelbar produziert werden. Dies gilt auch für die Welt des Holzes. Zum Beispiel: „deinschrank.de“ erlaubt die Maßanfertigung von Schränken. Ähnliche Optionen gibt es für Küchen auf der Grundlage von anpassbaren Programmbibliotheken, die in die Software der CNC-Maschine integriert sind.
Ein überaus wichtiges Feld ist der Denkmalschutz und die Sanierung bzw. der Umbau des Bestandes. Digitale Werkzeuge sind auch hier bereits eingeführt. Zum Beispiel beim digitalen Aufmaß von Räumen, Fassaden und Konstruktionen. Das Information Modelling, z.B. beim sogenannten verformungsgerechten Aufmaß, kann eben das Bauwerk als Unikat abbilden und damit die Grundlage legen für den Entwurf und für die Produktion komplexester Elemente auf einer CNC-Maschine.
Die Möglichkeiten des Building Information Modelling sind hier weit gespannt. Zu erwähnen sei die virtuelle 3-dimensionale Rekonstruktion von Räumen aus 2-dimensionalen Fotografien, die Simulation und Animation von Entwurfsszenarien.

Hybrid

Dass CNC-Maschinen auch komplizierte Knotenverbindungen fräsen können, haben wir zuvor erwähnt. Im avancierten Design des Möbelbaus z.B. werden bereits hybride Strukturen aus Holz und 3D-gedruckten Knoten verwendet. Eine besondere Aufmerksamkeit sollte diese Kombination aus additiver Fertigung des digital generierten 3D-Drucks und des subtraktiven Verfahrens des digital geschnittenen Holzes bekommen.
So wichtig es ist, das Material Holz zu präferieren, so klug ist es, für diesen Einsatz auch bestimmte Materialkombinationen bzw. hybride Konstruktionen in Erwägung zu ziehen. Dazu gehören die weithin schon eingeführten Holz-Beton-Verbunddecken, bei denen das Holz die Zugkräfte aufnimmt und der Beton die Druckkräfte. Holz und Beton sind dabei kraftschlüssig verbunden.

Robotics

Robotische Systeme, die im Konzept Industrie 4.0 auch untereinander kommunizieren, sind in bestimmten Sektoren der Industrie bereits Standard. Elemente einer solchen Strategie sind auch im modernen Holzbau schon angelegt. Diese Systeme verfügen nicht nur über große Präzision und sind hoch rationell, sie sind auch flexibel ansteuerbar und sind damit kreativen Prozessen offen.
Das bereits mehrfach genannte Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung der Universität Stuttgart experimentiert nicht nur mit entsprechenden Holzstrukturen und -geometrien, sondern auch entsprechenden Technologien der Fertigungsprozesse. Beispielhaft hier ist der Buga-Pavillon 2019 in Heilbronn, eine quasi organische Form einer Holzstruktur aus Elementen, die digital konzipiert, von CNC-Maschinen gefertigt und dann aufgrund höchster Passgenauigkeit montiert wurden.
Manchmal wird zunächst am Extrem deutlich, was in Zukunft ein Normalfall sein kann. So hat der britische Architekt Norman Foster im Auftrag der ESA die Errichtung von Behausungen und Laboren auf dem Mond durchgespielt: Ein Roboter baut mittels 3D-Druck aus „Mondstaub“ ein Gehäuse auf – hier allerdings nicht aus Holz, denn das gibt es auf dem Mond (noch) nicht.
An der ETH Zürich laufen Forschungen zur Robotik im Holzbau, bei denen im Zusammenwirken von zwei Robotern eine Holzrahmenstruktur geschnitten und komplett angeordnet wird („Spatial Timber Assemblies“).

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