Trainer- und Sprungrichterturm, Oberhof
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Aus der Projektbeschreibung:
Zur Verbesserung der Trainingsmöglichkeiten im Skispringen erfolgte zwischen 2013 und 2015 die Generalsanierung der Schanzenanlage im Kanzlersgrund, die u. a. auch einen Ersatzbau des Turmes notwendig machte. Für die Konstruktion und Detailplanung wurde eine vollständige BIM-fähige 3D-Modellierung verwendet. Der Datenaustausch mit allen weiteren Gewerken erfolgte über ifc.Das Bauwerk besitzt runde Giebel, eine drei Meter Auskragung im zweiten Obergeschoss sowie geschossweise verspringende, lastabtragende Wände. Die Zwischenebenen durchdringen zwei Geschosse und hängen zwischen den Längswänden. Die Deckenauflagerung wurde aufgrund der geringen Steifigkeit langer Unterzüge z. T. elastisch modelliert. Infolge verspringender Wände mussten diverse Wandscheiben als wandartige Träger bemessen werden. Die Dachdecke der Auskragung im zweiten Obergeschoss liegt auf einer Kragwandscheibe auf. Die Decke im ersten Obergeschoss wird in die Kragwandscheibe hochgeschraubt. Im vorderen Fensterbereich erfolgt die Lastabtragung über Querlamellen, da das Fensterband über Eck verläuft. Die Kragwandschreibe wird oberseitig über ein Zugband in die Dachscheibe zurückgezogen. Unterseitig wird die Druckkraft über die Schrauben der Deckenhochhängung in die Deckenscheibe eingeleitet. Im Auflagerbereich der Wandscheibe auf die Decke im ersten Obergeschoss erfolgte eine Querdruckverstärkung mit Vollgewindeschrauben.
Holzbau
Der Turmbereich besteht ab Oberkante Decke Untergeschoss aus einer Brettschichtholzkonstruktion (kreuzweise verleimte Nadelholzlamellen), die als vorgefertigte Elemente geliefert und auf der Baustelle montiert wurden. Die Bauteile sind mit 30 min. Abbrand bemessen. Die Aussteifung in Querrichtung war aufgrund der wenigen Wandscheiben und verspringenden Wände problematisch. Zwei Meter der runden Ecken (Rundungsradius nur 1,86 Meter) wurden mit angesetzt. Der ästhetische Anspruch wurde durch die Konstruktion mit sichtbarem Holz unterstützt.
Materialeinsatz
Aus Gründen der Dauerhaftigkeit, der relativen Feuchte- und Windunempfindlichkeit am exponierten Standort und der Vorfertigbarkeit auch gerundeter Elemente wurde eine hohlraumfreie Holzkonstruktion gewählt mit einer Außenhaut aus farbiger Blechlamellenverkleidung analog der Schanze HS100.
Erdgeschoss, Dach und Decken bestehen aus BBS 160 5s (160 Millimeter dick, fünf verleimte Holzlagen) und Wänden aus BBS 100 (innen) / 120 (außen) 5s (120 Millimeter /100 Millimeter dick, fünf verleimte Holzlagen). Stahlträger wurden nicht verwendet. Sämtliche Verbindungen wurden über Vollgewinde- und Tellerkopfschrauben, Betonschrauben mit Holzgewinde sowie außenseitigen Zugankern realisiert.
Aus der Jurybeurteilung:
Im Zuge der Generalsanierung der Skisprungsportstätten im Thüringer Wintersport- zentrum Oberhof ließ der Zweckverband als Bauherr im Kanzlersgrund Oberhof in den Jahren 2017/2018 ein neues Funktionsgebäude für die Schanzen HS100 und HS140 - einen Trainer- und Sprungrichterturm - errichten. Mit dem Neubau konnte die für Training und Wettkampf erforderliche Blickbeziehung der Trainer und Sprungrichter zu den Sportlern von der Absprungkante bis zur Landung gewährleistet werden.
Der im stark geneigten Gelände zu errichtendem Bau wurde in Erfüllung der funktionalen Vorgaben des Weltskiverbandes und des Olympiastützpunktes Oberhof auf einem Untergeschoss aus Stahlbeton als dreigeschossiges turmartiges Holzgebäude errichtet. Die Form und Außengestaltung des aus Brettschichtholz (der Firma Binderholz und Unterrainer) hergestellten Gebäudes lässt Bezüge zu architektonischen und bautechnischen Details der Schanze HS100 erkennen.
Hervorzuheben ist einerseits der Mut des Bauherrn, sich an einem solchen relief- bedingten und klimatisch exponierten Standort für einen Holzbau zu entscheiden. Andererseits haben die Planer mit der hohlraumfreien Holzkonstruktion eine Lösung erarbeitet und umgesetzt, die den Brandschutz gewährleistet, die Wind- und Schneelasten abfängt und als Nadelholzausführung gegen Feuchte relativ unempfindlich ist. Die komplexe Ebenenstruktur mit teilweise gerundeten Wänden, die vorab in einer vollständig BIM-fähigen 3D-Modellierung erstellt wurde, implementierte ingenieurtechnische Ansprüche bezüglich der Lastabtragung und Versteifung der Konstruktion.
Das funktionale Gebäude passt sich sehr gut in das Ambiente der Sportstätten ein. Der Holzbau kann als Signal für öffentliche und private Bauherren gelten, den nachwachsenden Rohstoff werthaltig zu verwenden und mit der langfristigen Festlegung des in ihm gebundenen CO2 einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz und zukünftig zur Förderung sinn- und identitätsstiftender Arbeitsplätze im ländlichen Raum beizutragen. Die Auszeichnung mit dem Sonderpreis Holzbau wird mit der Hoffnung auf eine weitere Verbreitung und Qualifizierung des Holzbaues in Thüringen verbunden.
Planung
Genehmigungs- und Ausführungsplanung Objektplanung LP 1-5 (Architekt)
Renn Architekten, Fischen im Allgäu
- Hans-Martin Renn, Dipl.-Ing. (FH)
- Andreas Fauter, Dipl.-Ing. (TU)
Objektplanung Gebäude LP 6-9; Objektplanung Freianlage LP 1-9; Genehmigungs- und Ausführungsplanung Tragwerk Stahlbeton Untergeschoss und Gründung LP 1-6, 8;
PGS+P Planungsgesellschaft Steiner und Palme mbH, Suhl
- Bernd Palme, Dipl.-Ing.
- Frank Lindner, Dipl.-Ing.
Genehmigungs- und Ausführungsplanung Tragwerk Holzbau LP 2-5; Bauüberwachung Tragwerksplaner für den Holzbau
SGHG Planungs- und Prüfgesellschaft Bautechnik mbH, Jena
- Nico Heubach, Dipl.-Ing.
- Hans Hartmann, Dipl.-Ing.
Abbundplanung Holzbau, ausführende Zimmerei
Uwe Quenzel, Leubingen
Bauherr
Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum, Oberhof