New Vernacular

Wettbewerbsbeitrag für den Standort Urleben
1. Preis, Ideenwettbewerb »Landgut 2050«

New Vernacular, Perspektive C, Bild: BUDCUD, Kraków; naito, Dresden; Salem

Strategie 1

HERAUSFORDERUNG: EINHEITLICHE, EINTÖNIGE FUNKTIONALE GRUNDLAGE
LÖSUNG: REGIONALTYPISCHES RESTAURANT MIT ZERO-WASTE-PHILOSOPHIE
PERSPEKTIVE A. Blick auf den experimentellen Garten, der Teil der Öko-Restaurant-Initiative ist. Die Tische sind zwischen verschiedenen Formen von Anbaumethoden angeordnet, was die Authentizität des kulinarischen Konzepts unterstreicht.
PERSPEKTIVE B. Die erste Etage eines revitalisierten Bestandsgebäudes wird in ein innovatives Labor umgewandelt, in dem Auszubildende neue und traditionelle Lebensmittelanbau und -zubereitungstechniken kennenlernen. Vom Labor aus - durch den Glasboden - können die Kochschüler und Praktikanten ihre Gäste sehen und deren Reaktionen auf Öko-Lebensmittel überprüfen.

Strategie 2

HERAUSFORDERUNG: VERFALL DES DÖRFLICHEN GEWEBES
LÖSUNG: LOKALE WERKSTATT FÜR ÖKOMATERIALIEN MIT IHREM TESTFELD
PERSPEKTIVE C. Innenansicht der Öko-Werkstatt mit einer Ausstellungswand aus verschiedenen Öko-Materialien, wie Strohballen, Pilzen oder Produktresten - alle von lokalen Bauernhöfen bezogen. In der Halle können Präsentationen und Workshops zu den in Arbeit befindlichen nachhaltigen Technologien von Urleben stattfinden. Der Raum ist auch Empfangszone für die Gäste des Ökohotels. Auf der rechten Seite befinden sich Ausstellungsräume für Öko-Technologien, in denen Interessierte eine Nacht verbringen und prüfen können, wie sich das Leben in einem natürlichen Lebensraum anfühlt.
PERSPEKTIVE D. Axonometrische Ansicht des neuen Gebäudes - Werkstatt für Öko-Technologien. Es ist der Showroom für Öko-Technologien mit einer offenen Werkstatt, in der Innovationen für den Bausektor getestet und für die Umsetzung im Stadtgewebe von Urleben vorbereitet werden. Die Werkstatt beherbergt auch ein kleines Hotel, das seinen Besuchern die Möglichkeit gibt, das Leben in einem nachhaltigen Ökohaus zu erleben. Wir glauben dass die Möglichkeit, das Öko-Haus zu sehen und (kurzzeitig) darin zu wohnen, die Menschen überzeugen würde, nachhaltige Praktiken in ihr tägliches Leben aufzunehmen.
Das Gebäude ist teilweise mit Strohballen-Technologie gebaut. Strohballenbau ist eine CO2-neutrale Bauweise. Der Unterschied zur Massivbauweise beträgt ca. 97 t CO2-Äquivalent. Für die Herstellung eines strohgedämmten Gebäudes wird nur etwa die Hälfte der nicht-erneuerbaren Primärenergie (PENRT) eingesetzt. Für das neue Gebäude stehen zwei Bauweisen zur Verfügung: (1) Holzrahmenbau mit Strohballen als Wärmedämmung in der Holzkonstruktion und (2) tragende Konstruktion mit tragenden Strohwänden aus Großballen. Für Altbauten eignet sich die Sanierung als Strohfassade - vergleichbar mit einem nachträglich eingebauten Wärmedämmverbundsystem. Wände und Decken sowie Dach und Bodenplatte können in Strohbauweise realisiert werden. Hierfür ist die deutsche Strohbaurichtlinie anzuwenden, die als Ergänzung zu den anerkannten Regeln der Technik zu verstehen ist. Im niedersächsischen Verden wurde 2015 bereits ein fünfgeschossiges Bürogebäude in Strohbauweise errichtet. Für "Baustroh" gibt es seit 2014 eine Zulassung des DIBt als Wärmedämmstoff aus Strohballen. Genehmigungsrechtlich muss eine Zulassung im Einzelfall eingeholt werden.

Strategie 3

HERAUSFORDERUNG: SCHRUMPFENDE UND ALTERNDE GEMEINDE URLEBEN
LÖSUNG: SOLIDARISCHES HAUS - GEMEINSAME TAGESSTÄTTE FÜR ALTE UND KINDER
PERSPEKTIVE E. Das Innere des revitalisierten Hauses der Solidarität - eine gemeinsame Tagesstätte. Das Gebäude ist so konzipiert, dass es längere Perspektiven und attraktive Durchblicke bietet. Überdachte Durchgänge lassen die Menschen diese Übergangsräume als gemeinsame Wohnräume nutzen. Hier kümmern sich die Menschen umeinander - die Älteren passen auf die Kinder auf, während die Kinder (wenn die Eltern bei der Arbeit sind) einfach Zeit mit den "Pflegegroßeltern" verbringen. PERSPEKTIVE F. Revitalisierter Innenhof, der nun der ganzen Gemeinschaft dient. Eine informelle Anordnung von Stadtmöbeln und Grünflächen macht den Platz für alle alle Generationen der Urlebener. Die Älteren können Kinder beim Spielen beaufsichtigen oder ihr Wissen über den Anbau von Pflanzen oder andere Aktivitäten im Freien etc. weitergeben. Der Platz ist eingebunden in ein ein größeres Netzwerk von öffentlichen Höfen und Grünflächen in Urleben.

Aus der Jurybeurteilung:

Auf die Fragestellung des Ideenwettbewerbs Landgut2050 nach zukunftsfähigen Entwicklungsstrategien für den ländlichen Raum antwortet die Arbeit „new vernacular“ mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog. Insgesamt werden präzise Aussagen zu 25 Konzepten, Strategien und Fallbeispielen getroffen, die nicht nur für den gewählten Standort in Urleben Relevanz entwickeln, sondern auch für vergleichbare Räume und Orte Potentiale aufzeigen.

Als zentrales Innovationsmoment setzten die Autor*innen auf ein neues soziales Modell, dass die bisher autarken Hofgebäude durch Aktivierung des öffentlichen Raums in Clustern bündelt und ein generationenübergreifendes, vernetztes Lebensmodell zum Ziel erklärt. Die besondere Qualität der Arbeit besteht darin, dass für diese Umprogrammierung auf das „Vorhandene, den Bestand“ gesetzt wird. Dieser wird jedoch als offene Ressource verstanden und mit modernen Gestaltungsideen und ökologischen Ressourcen radikal umgebaut, so dass ein echtes Zukunftsbild entsteht, das von dem Kontrast aus „Alt“ und „Neu“ lebt. Hierdurch wird sowohl der bestehenden Bevölkerung als auch neuen Generationen eine attraktive Perspektive ermöglicht und das „weiter wie bisher“ durchbrochen. Die Arbeit verdichtet ihre Aussagen durch präzise graphische Darstellungen und präzise Texte und überträgt diese als konkrete „Case Studies“ an den Modellstandort in Urleben.

Ein regionales „Zero Waste“-Restaurant, eine zentrale ?ko-Werkstatt für den Umbau des Ortes und ein seniorengerechtes Wohnprojekt kombiniert mit einem Kindergarten bilden die neue soziale Infrastruktur und auch architektonische Neudefinition des Ortes. Dabei wird der öffentliche Raum als neues Bindegewebe sorgfältig mit einbezogen. Die Ergebnisse der Interventionen werden in einem neuen Masterplan für Urleben festgehalten und konkret greifbar.

Diese Arbeit schafft durch Ideenvielfalt und zugleich Präzision den Spagat zwischen gewünschter Vision und konkreter Realisierbarkeit. Der größte Wert besteht jedoch in der damit verbundenen „Haltung“ die in dem selbst gewählten Titel „new vernacular“ – was vielleicht so viel heißt wie: „Neue Alltäglichkeit“ - perfekt zum Ausdruck kommt. Die Arbeit erfüllt in Ihrem Ansatz und Ideen als auch in ihrer Sprache in idealer Weise die Erwartungen, die seitens des Auslobers an den Wettbewerb geknüpft sind.

Beteiligte

BUDCUD, Kraków / Polen

  • Dipl.-Ing. Mateusz Adamczyk
  • Dipl.-Ing. Agata Wozniczka

naito_strategien in architektur & film, Dresden / Deutschland

  • Dipl.-Ing. Architektin Valérie Madoka Naito

Salem /Deutschland

  • Dipl.-Ing. Landschaftsarchitekt Berthold Flieger 

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