Gut.Land.Leben

Wettbewerbsbeitrag für den Standort Urleben
Anerkennung, Ideenwettbewerb »Landgut 2050«

Gut.Land.Leben, Visualisation 1, Bild: PASEL-K architects, Berlin; Veldacademie, Rotterdam

Räumlicher Wandel: Das Prinzip ADAPT

Um dem Dorf Urleben samt seines Regio-Kiezes aus vernetzten Nachbardörfern, eine attraktive Perspektive zu geben, setzt das Konzept GUTLANDLEBEN auf drei verschiedenen Ebenen an.
Für das gesamte Dorf wird ein Handlungsplan entwickelt, der in der ersten Ebene schrittweise die Bestandspflege, den Um-und Rückbau von Leerstand und die Schaffung neuer innerdörflicher Baugrundstücke beinhaltet. In der zweiten Ebene wird der Fokus auf das ausgeschriebene Areal im nördlichen Teil des Dorfes gelegt, das durch die strategische Transformation des zentralen, leerstehenden Bauernhofes neu ausgerichtet wird. In der dritten Ebene entsteht um einen gemeinschaftlichen Hof eine „Neue Mitte“. Das nach und nach wachsendes Gebäudeensemble fördert gezielt das Zusammenspiel von Wohnen - Arbeiten - Daseinsfürsorge. Mit dem Augenmerk auf der Betreuung und Versorgung der Jüngsten und Ältesten und bezahlbaren Wohnungen, wird der soziale Austausch und Interaktion stimuliert. Die Idee des innenliegenden, öffentlichen Raumes und des privateren, baulich verdichteten Randes aus re-use Bestands-Häusern für junge (auch zuziehende) Familien, wird ergänzt durch einen dazwischenliegenden „grünen Ring“ für Subsistenzlandwirtschaft, Food Production und landschaftlichen Erholungsflächen. Durch den sukzessiven Rückbau der großen leerstehenden Scheunengebäude im Blockinneren wächst der grüne Ring in dem Maße, in dem sich das Quartier wandelt. Die umgebende Landschaft zieht sich so bis ins Quartier hinein und wird Teil des Transformationsprozesses. Das Verhältnis bebauter zu landschaftlicher Fläche wird kontinuierlich verhandelt.
Durch den Umzug der älteren Menschen in die altersgerechten neuen Wohnungen in der „Neuen Mitte“ werden sowohl Bauten als auch Grundstücke frei, die von jungen Familien bezogen werden können. Der Entwurf ist in zwei unabhängige Bauabschnitte unterteilt, sodass nach dem Bau und Bezug des ersten Hofes, dieser unabhängig funktioniert oder bei Nachfrage um ein weiteres Ensemble erweitert werden kann. Somit kann präzise auf den Bedarf reagiert werden. Basierend auf der räumlichen, der landschaftlichen und der sozialen Vernetzung schafft das Projekt zu jedem Moment ein attraktives Quartier, das die Dorfgemeinschaft stärkt, neu verbindet und ausrichtet.
Dieses umfassende Konzept schafft nicht nur neue, bedarfsorientierte Wohnflächen, sondern bereichert das soziale Miteinander der Dorfgemeinschaft durch die Versorgung von Jung und Alt und der Schaffung von vielseitigen Begegnungsorten. Durch das schrittweise und nachfrageorientierte Vorgehen, dem Rezyklieren vorhandener Baustoffe durch den Abtrag alter Scheunen und Bausubstanzen (Village-mining) sowie der Partizipation der Dorfbewohner in den Umsetzungsprozess ist das Projekt für das Dorf passgenau und einfach umsetzbar.

Sozialer Wandel: Das Prinzip CARE

In naher Zukunft wird sich Urleben innerhalb des regionalen Dienstleistungsangebots als eigenständiges Ökosystem entwickeln. Als eine Kombination aus einem attraktiven Rückzugsort für Stadtbewohner, die das Landleben, das Grün und die Ruhe mit ihren Familien genießen möchten, und einer heimischen, fürsorglichen Umgebung für die Älteren, wird sich der Dorfkern gesellschaftlich weiterentwickeln. Die Lebensqualität des ländlichen Raumes gepaart mit einer umfassend ausgebauten Daseinsfürsorge werden eine maßgebliche Rolle spielen.
Die treibende Kraft hinter der Revitalisierung ist die von den lokalen Bewohnern gegründete „Dorf-Genossenschaft“, die vollständig von der bereits bestehenden Agrargesellschaft unterstützt wird. Die Kooperation verwaltet über ein Stiftungsmodell die leerstehenden Immobilien und ungenutzten Grundstücke und sorgt somit für eine breite Verbesserung des Dorf-„Klimas“. Durch die Entwicklung und Anwendung eines zirkulären Konstruktions- und Materialprinzips, werden rezyklierte Baustoffe nach dem Rückbau des alten Leerstandes für Neubauten und Renovierungsarbeiten wiederverwendet. Die neu gegründete Dorf-Genossenschaft betreibt die renovierten Immobilien hauptsächlich zum Zweck der Vermietung an Familien, die sich im Dorf niederlassen möchten - möglicherweise dauerhaft. Dies ist teilweise auf die wachsend digitale Arbeitswelt und Homeoffice zurückzuführen, die mit Highspeed-Internet überall möglich ist. Diese (digitale) Infrastruktur trägt zur natürlichen Verlagerung von Wohnort, Arbeit und Freizeit bei und schafft einen neuen, attraktiven Lebensraum, der weder rein städtisch noch rein ländlich ist. Durch den Zuwachs und die steigende Nachfrage arbeitet die Genossenschaft fortlaufend daran das Niveau der Einrichtungen im Dorf zu verbessern und auszubauen.
Das Dorfzentrum wird schrittweise zu einem multifunktionalen Kern, der „Neuen Mitte“, mit Wohnungen für junge Leute auf dem Weg zur Selbständigkeit, wie z.B. Azubis, ältere Menschen und junge Familien umgebaut, mit ausgezeichneter Kinderbetreuung und Unterstützung der Älteren, einem Gesundheitskiosk, einem kleinen Café-Klatsch und einer Basis für den/die „Dorfskümmer-er/-in“. Die Einrichtungen befinden sich umgeben von einem großen, kollektiven Nutz- und Ziergarten, der im Sinne der Subsistenzwirtschaft einen großen Teil der lokalen Lebensmittelproduktion übernimmt und gleichzeitig als Treffpunkt, Tagesaktivitäten und Bildung dient.
Junge Familien, die sich schließlich dazu entschließen, sich dauerhaft im Dorf niederzulassen, werden Mitglieder der „Dorf-Genossenschaft“ und erhalten die Möglichkeit, ein Grundstück im Dorf zu einem günstigen Preis zu erwerben und sich dort ein eigenes Zuhause aufzubauen - unter der Verwendung von recycelten Materialien. Neben der Verfügbarkeit weiterer, mit der Zeit kommender, Einrichtungen, dem zunehmenden flexiblen Arbeiten und dem Bedürfnis nach Platz und Natur, ist dies ein wichtiger Anreiz für Familien sich dauerhaft im Dorf niederzulassen.
Das Modell basiert auf Solidarität, alle Mitglieder profitieren direkt von dem kollektiven Gewinn, da mittelbare und unmittelbare Ressourcen in ein Kreislaufsystem eingebracht werden, und der sozialen Anbindung über alle Generationen hinweg.

Aus der Jurybeurteilung:

Grundidee der Arbeit, die sich auf den Ort Urleben bezieht, ist ein Transformationsprozess, der den teils leerstehenden Bestandsbauten neue Nutzungen zuführt und schrittweise zur Ausbildung einer neu gebauten Dorfmitte führt. Die Autor*innen sprechen vom „Prinzip ADAPT“. Die neue Dorfmitte verbindet neues Wohnen, u. a. barrierefrei für ältere Einwohner, mit neuem Arbeiten und einem neuen Ort der Dorföffentlichkeit, der an die Stelle nicht mehr genutzter Scheunen tritt. Zugleich entsteht im Dorfinneren um diese neue Mitte ein neuer Landschaftsraum („Grüner Ring“).

Durch die Kombination von erkennbarer Umsetzbarkeit, ganz bewusst in unabhängigen, aber aufeinander aufbauenden Phasen und der Berücksichtigung heutiger und zukünftiger Bedarfe hat das Gesamtkonzept überzeugt. Die Anerkennung des Bedarfs nach Privatsphäre in der Mitte der sozialen Gemeinschaft – im baulichen und im gesellschaftlichen Sinne – führt zu einer gelungenen Differenzierung von Gemeinschaft und Individualität.

Mit dem umgestalteten Hof und der entstehenden Neuen Mitte des Dorfes kann es gelingen, eine neue Mitte im Sinne neuer Funktionen – ökologischer und energetischer – sowie der Erhaltung und Wiederbelebung bewährter und für die Attraktivität des Dorflebens unabdingbarer Funktionen zu schaffen – des Miteinanders von Jung und Alt sowie von Dorfbewohnern und Zugezogenen, der Erfüllung von Grundbedürfnissen.

Bei aller Kompaktheit der neu geschaffenen Angebote ist die gewollte Durchlässigkeit des geplanten Hofes klar erkennbar. Die Anziehungskraft eines Dorfmittelpunkts wird auch vom Freiraum und der Luftigkeit bestimmt. Der konzeptgetreue sensible Rückbau einzelner Gebäude trägt dazu erheblich bei. Man kann sich gut vorstellen, dass die Dorfbewohner die Chancen der Breitbandinfrastruktur nutzen und sich als mobil Arbeitende im erweiterten Grüngürtel treffen, anstatt die langen Wege in die nächste Metropole nehmen zu müssen.

Zur Akzeptanz des Gesamtmodells trägt der Aufbau als Quartier für alle Altersgruppen und Lebensphasen erheblich bei. Neben diesem Impuls ist die gewählte Grundstruktur einer Genossenschaft den strategischen Dorfzielen – gemeinschaftliche Verantwortung, langfristige Entwicklung und Stabilität, demokratische Grundverfassung, Anpassungsfähigkeit – extrem dienlich. Diesen sozialen Gesamtansatz nennen die Autoren das „Prinzip CARE“. Mit dem auf Realisierbarkeit und Akzeptanz ausgerichteten Konzept haben die Autor*innen, ohne dabei die gestellten Fragen nach Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung zu vernachlässigen, eine anerkennenswerte Arbeit erstellt. Die Jury ist in besonderer Weise vom klar erkennbaren Entwicklungspfad bis zum Zieljahr 2050, den gut erkennbaren Teilschritten für die Partizipation der Bewohner und der behutsamen Entstehung des Quartiers Neue Mitte Urleben beeindruckt. Würde das Konzept Wirklichkeit, könnte man in Urleben auch 2050 GUT LAND LEBEN!

Beteiligte

PASEL-K architects, Berlin / Deutschland

  • Prof. Dipl.-Ing. Ralf Pasel

Veldacademie, Rotterdam / Niederlande

  • Ir. Otto Trienekens

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