Net(t)zwerk 'Vier gewinnt'
Durch eine weitreichende Digitalisierung wird die Vernetzung unterschiedlicher Akteur*innen untereinander und mit der Umwelt einfacher. Darin besteht die große Chance.
Eine Net(t)zwerk bestehend aus digitalen und räumlich lokalen Grundpfeilern verknüpft alle Interessierten. Zugrunde liegt die Gewissheit, dass der Wunsch und die Bereitschaft Verantwortung für Raum und Gemeinschaft zu übernehmen, sowie eigene Lebensentwürfe zu verfolgen, überall in der Gesellschaft zu finden sind.
Bisher besteht das Problem, dass personelle und ideelle Ressourcen nicht als gleichwertig zu materiellen Ressourcen angesehen werden. Das Net(t)zwerk dient der Bekanntmachung, Vermittlung und dem gleichwertigen Austausch von Angeboten aus dem personellen und materiellen Fundus, sowie sozialer, ökologischer, ökonomischer und ästhetischer Dientleistungen, die der Gemeinschaft oder dem Raum dienen.
Es funktioniert nach der Prämisse „wenn...dann...“ - ein Austausch kommt demnach nur zustande, wenn eine Leistung in allen vier Teilbereichen vorgewiesen werden kann. Das jeweilige Angebot ist der Kreativität und den Fähigkeiten eines jeden Einzelnen überlassen.
Somit entsteht eine Atmosphäre der Chancengleichheit, in der alle Teilhabenden auf individuelle Art und Weise ihren Beitrag an der tatsächlichen Mitgestaltung der zukünftigen Entwicklung Thüringens haben können.
Personeller Fundus
Jedes Individuum verfügt über spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das Net(t)zwerk macht die Vielfalt deutlich und bringt Menschen verschiedener Hintegründe zusammen. Dies kann zu Reibung und Konflikten führen, baut aber vorallem Hürden ab. Indem Angehörige aller Milieus - unabgängig von „harten Fakten“ wie Finanzen und Bildungsweg - sind eine Ressource und haben gleichwertige Chance auf Teilhabe.
Materieller Fundus
Materielles Kapital geht weit über monetären Besitz hinaus. Leerstand und weite Landstriche können positiv als Ressource gesehen werden. Aber auch alles Produzierte oder durch bestehende - und vielleicht vernachlässigte - Strukturen zukünftig Produzierbares fallen in diese Kategorie. Im Net(t)zwerk können an ihnen Anteile oder rechtliche Legitimation zur Nutzung angeboten werden. Was Wert hat, entscheiden die Bietenden.
Gemeinschaftsförderung
Einher mit der Teilhabe am materiellen Fundus geht die Verantwortung gemeinschaftsfördernder Dienstleistungen. Je nach Kapazität und Fähigkeit, kann diese unterschiedlich aussehen, ist jedoch Voraussetzung um nicht nur individuelle Bedürfnisse zu befriedigen, sondern der Gemeinde Mehrwert zu bringen. Die Aktivitäten sind wesentlich für eine soziale Interaktion im Dorf und dienen der gegenseitigen Entlastung wie Freude.
Raumförderung
Einher mit der Teilhabe am materiellen Fundus geht die Verantwortung raumfördernder Dienstleistungen. Je nach Kapazität und Fähigkeit, kann diese unterschiedlich aussehen, ist jedoch Voraussetzung um nicht nur individuelle Bedürfnisse zu befriedigen sondern der Gemeinde Mehrwert zu bringen. Die Aktivitäten können ökologisch, ästehtisch oder ökonomisch ausgerichtet sein. Die Schönheit der umgebenden Kulturlandschaft ist wesentliche Ressource.
Aus der Jurybeurteilung:
Der enorme Vorzug dieser Arbeit ist, dass hier das digitale Netzwerk als die entscheidende Infrastruktur für die Zukunft ländlicher Räume vorgestellt wird. Anhand einer Karte der dispersen Siedlungsstruktur Thüringens wird zunächst die zu beobachtende problematische Ausgangslage beschrieben: vernachlässigte Versorgungseinrichtungen, mangelnde Arbeitsplatzaussichten, kulturelle Defizite und immer längere Wege. Angesichts der „Landflucht“ wird der öffentliche Nahverkehr weiter ausgedünnt, die Reduktion der Daseinsvorsorge beschleunigt die Abwärtsspirale.
Dem setzt die Autorin ihr Konzept der Vernetzung und Belebung der kleinteiligen Siedlungsstruktur entgegen. Darin liegt dann die Chance zu einem Paradigmenwechsel, zu einer Umkehr, dass gerade diese Verteiltheit und Landschaftlichkeit neue Lebensperspektiven eröffnen kann und ein Ort wie Urleben, der hier als Hintergrund genutzt wird, weiter aufblüht. Das digitale Netz erschließt so den ländlichen Raum in seiner eigentlich vorhandenen räumlichen und sozialen Tiefe - öffnet erst virtuell und dann analog Garten-, Hof- und Haustüren.
Das Net(t)zwerk wird zum Substrat diverser Austausch- und Tauschprozesse, die auf der Chancengleichheit der Beteiligten beruhen sollen. Gemeinschaftlich erschlossen wird dabei der „Personelle Fundus“ an Fertigkeiten und Fähigkeiten der Menschen vor Ort, der „Materielle Fundus“ an Gärten, Häusern, Autos zum Teilen, und vorhandene Potenziale der Gemeinschaftsförderung, etwa Fahrdienste, Pflege und Fürsorge sowie der „Raumförderung“ wie Streuobsternte, aber auch Renovierungen und handwerkliche Arbeiten. Die Autorin illustriert die Optionen mit vier individuellen Szenarien und weiteren Möglichkeiten, die illustrativ dem Plan von Urleben aufgesetzt werden. Hier wird gezeigt, dass digitales Arbeiten in dörflichen Gemeinschaftsbüros stattfinden kann, dass ein Künstlerkollektiv sich ansiedeln kann, dass ein kleiner Laden sich durch den Zuzug wieder lohnen kann, dass jemand ein Wohngeschoss im Tausch gegen Klavierunterricht für 12-jährige beziehen kann.
Die diversen Ansätze bleiben zwar vergleichsweise abstrakt und gehen auf die konkrete Ortschaft Urleben nur vage ein, doch steckt in dieser Abstraktheit auch der Schlüssel zur Übertragbarkeit des Konzepts auf viele andere ländliche Regionen. Jede Gemeinde kann ein solches Net(t)zwerk mit eigenen Inhalten füllen. Die Jury hebt hervor, dass diese Arbeit mit dem Fokus auf ein digitales Plattformkonzept eine Schlüsseltechnologie der Zukunft gerade für die Weiten des ländlichen Raumes zum Thema macht und damit entsprechend interessante Anregungen vermittelt.
Beteiligte
Technische Universität München / Deutschland
- B.Sc. Julia Treichel
- Schlagwörter:
Ideenwettbewerb »Landgut2050«
Ländlicher Raum