Betriebsgebäude mit Produktionshalle und Büros in Probstzella
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Aus der Projektbeschreibung:
Auf einer Industriebrache nahe der ehemaligen innerdeutschen Grenze im Thüringer Schiefergebirge wurde das neue Betriebsgebäude als Ersatz für den alten Standort in der Nähe errichtet. Der Baukörper liegt längs im engen Tal, parallel zur Bahnlinie. Der eingeschossige Kopfbau mit Büros weist zur Ortschaft hin. Ein lockerer Birkenhain in Schieferschotter und magerem Rasen verwebt den Neubau mit seiner grünen Umgebung. Der hohe Anspruch an die Arbeitsumgebung der Mitarbeiter äußert sich nicht nur in einem sehr großzügigen Sozialraum, sondern auch im Materialkonzept mit sichtbaren Holzoberflächen, der großen Transparenz im Gebäudeinneren sowie im Fehlen gebauter Hierarchien zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen und dem sehr guten Außenbezug zur Landschaft an jedem Arbeitsplatz. Der Gedanke der Teamarbeit soll mit dem demokratischen Ansatz gestärkt werden. Die Nutzer berichten über sehr gute Arbeitsbedingungen. Im Inneren des Holzbaues rhythmisiert die tragende Struktur aus heimischer Baubuche die weiß lasierten Oberflächen aus Nadelholz. Ein fein aufgelöstes Dachtragwerk aus Buche-Fachwerkträgern lässt den hellen Hallenraum in voller Größe erleben. Zwischen Eingangsbereich, Büros, Besprechungsund Sozialraum liegt als „grünes Zimmer“ ein eingezogener Hof. Das Erdgeschoss stellt sich als gläserner Sockel dar, darüber liegt leicht verschoben ein flächig gestaltetes geschlossenes Volumen. Dessen Hülle aus Schieferplatten nimmt Bezug auf zum Materialeinsatz der traditionellen Bauweise im Schiefergebirge. Es enthält die Technik, Umkleiden sowie den Luftraum der Halle und bildet ein Vordach über dem Ladehof. Je nach Lichteinfall auf die unterschiedlich geneigten Flächen changiert das natürliche Material matt oder schimmernd. Die traditionelle Deckungsart erfährt in dieser Anwendung eine moderne Interpretation, indem die Textur des Schiefers in der monolithischen Großform des Gebäudes abgebildet wird. Auch beim Energiekonzept wird der ressourcenschonende Weg eingehalten. Photovoltaik vor Ort erzeugt über 100 Prozent der eigentlich benötigten Energie, Speichertechnik sorgt für ca.60 Prozent reale Autarkie beim Energieverbrauch für Heizung und Kühlung mit Wärmepumpen sowie Strom für Gebäude und Produktion. Auf diese Weise wird das im Passivhausstandard erbaute Gebäude zum Plusenergiehaus.
Baukulturelle Aspekte: Das Bauvorhaben zeigt beispielhaft die Verwendung regionalen Laubholzes als Konstruktionsholz. Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist neben dem CO2-neutralen Bauen auch der notwendige Waldumbau von Nadelwald zu Mischund Laubwald ein Thema. Die verarbeitende Industrie und das Handwerk werden sich umstellen müssen, wenn die regionale Wertschöpfung funktionieren soll. Der verwendete Schiefer findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft an älteren Häusern und auf den Halden ehemaliger Gruben.
Holzbau: Das Tragwerk der Halle sollte 25 Meter einer möglichst filigranen Konstruktion überspannen. Die Konstrukteure konzipierten einen Streben-Fachwerkträger, der sich aufgrund der hohen Zugund Druckfestigkeit von Buchen-Furnierschichtholz mit geringer Bauhöhe und gleichzeitig schlanken Bauteilen realisieren ließ. Im Vergleich zu herkömmlichen Brettschichtholz-Trägern beträgt die Materialersparnis aufgrund der schlanken Dimensionierung der Bauteile rund 42 Prozent. Obergurte und Stützen wurden gleich Lisenen flächenbündig in die Hülle aus Nadelholz eingelassen. Der rötlich-warme Ton der Buche setzt sich von der weißen Lasur auf dem Nadelholz ab. Auch Wandund Dachflächen wurden weitgehend vorgefertigt, die Wände als Holzrahmenwände, das Dach aus Holzkastenelementen. Die Aussteifung des Gebäudes übernehmen V-förmige Böcke in der Fassade, sogar die Kranbahnträger konnten in Buchenholz hergestellt werden.
Aus der Jurybeurteilung:
Auf einer ehemaligen Industriebrache im Thüringer Schiefergebirge wurde ein architektonisch sehr hochwertiges und zugleich ökologisches neues Betriebsund Produktionsgebäude errichtet.
Die Produktionshalle und die Büros wurden gekonnt in einem langen Rechteck zusammengefasst, welches sich parallel zu den Bahngleisen legt. Diese stadtund landschaftsräumliche Anordnung verweist bereits hier auf den ökologischen Grundgedanken des Projekts, das Gebäude aus dem Ort heraus zu denken, es am Ort zu verankern. Dies geschieht hier aber eben nicht durch irgendwelche Imitation vorgeblich regionaler Architektur, sondern durch das Rekurrieren auf elementare, quasi einheimische Stoffe, welche zu den architektonischen Schlüsselthemen dieses Projekts werden: das Holz und der Schiefer. Das Holz, vor allem regionale Baubuche, sowie der Schiefer, denn wir befinden uns im Thüringer Schiefergebirge. Ist also der wichtige Grundgedanke des Projekts ein ökologischer, so erwächst die architektonische Qualität aus dem äußerst klaren strukturellen Gebrauch der Werkstoffe.
Die Tragkonstruktion der Halle – Stützen, Binder, Aussteifungen – besteht komplett aus Baubuche, kann daher wegen der hohen Festigkeit des Materials außergewöhnlich und wohltuend schlank ausfallen. Selbst die Kranbahn ist aus diesem Material. Da die trennenden Teile der Halle aus weiß lasiertem Nadelholz und die Außenwände im Erdgeschoss sowie die Stirnseiten der Halle komplett verglast sind, tritt die buchene Tragkonstruktion in ihrer äußersten Logik bildprägend in Erscheinung, zumal die Halle sehr schön belichtet ist und der Blick auch in die Landschaft geht. Ebenso klar wie das Holz in der Linearität der Tragkonstruktion den Innenraum dominiert, bestimmt der Schiefer als Material der Außenhaut das äußere Erscheinungsbild, wobei zugleich ein analoges Bild der geologischen Strukturen des Schiefers zum Relief der Fassade wird – ein sehr kreatives und kraftvolles Moment dieses Projekts.
Selbst wenn die offenbare Differenz zwischen Innen und Außen auch kritisch hinterfragt werden kann, resultiert doch genau hieraus die Stärke und der architektonische Ausdruck dieses Projekts. Die Jury hebt ebenso die Landschaftsarchitektur hervor, die hier kongenial mit dem Projekt arbeitet, indem etwa der Schiefer sich im Schieferschotter fortsetzt und der Trockenrasen die Brachfläche aufnimmt, wohl auch das Moment der Kargheit des Gebirges generell. Die ökologische Basierung der Gesamtarchitektur setzt sich auch im Energiekonzept fort, von dem die Autoren sagen, dass Photovoltaik mehr als 100 Prozent der benötigten Energie erzeugt, dass Speichertechnik mehr als 60 Prozent reale Autarkie des Energieverbrauchs gewährleistet, dass das im Passivhausstandard errichtete Gebäude schließlich zum Plusenergiehaus wird.
Die Jury hebt die ausgesprochene Symbiose aus zeitgemäßer und zugleich nachhaltiger Architektur hervor und würdigt dieses Projekt mit dem Thüringer Staatspreis 2018.
Das Zusammenspiel von einem transparenten lichtdurchfluteten Gebäude mit hoher Aufenthaltsqualität, dem äußerst filigranen Dachtragwerk, dem ressourcenschonenden Einsatz und Umgang der Materialen bis hin zur stimmigen Außenraumgestaltung sind vorbildlich und setzen sowohl architektonisch als auch ökologisch ein Zukunftszeichen, nicht nur im Bereich der Industriearchitektur, sondern über die Grenzen Thüringens und Deutschlands hinaus.
Planung
F64 Architekten Kopp, Leube, Lindermayr, Meusburger, Walter Architekten und Stadtplaner PartGmbB, Kempten
- Dipl.-Ing. Architekt und Stadtplaner Martin Kopp
- Dipl.-Ing. Architekt und Stadtplaner Philip Leube
- Dipl.-Ing. Architekt und Stadtplaner Rainer Lindermayr – Dipl.-Ing. Architekt Thomas Meusburger
- Dipl.-Ing. (FH) Architekt und Stadtplaner Stephan Walter
Baron Landschaftsarchitekt BDLA, Ulm
-
Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsarchitekt Hans Jürgen Baron
Auftraggeber
grimelo GmbH & Co. KG, Leutkirch